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Von Menschen entwickelt und trainiert

Jasper Albers und Steffen Schneider wollen künstliche Intelligenz in die Schulen bringen – und Ängste nehmen

Die Doktoranden Jasper Albers, (Forschungszentrum Jülich) und Steffen Schneider (Tübingen und Genf) gehören zu „KI macht Schule!“. Seit 2019 arbeitet die Doktoranden-Vereinigung daran, Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen stärker in den Schulalltag zu bringen, die Prozesse dahinter verständlich zu machen und damit die Chancen und ethischen Herausforderungen mit „den Entscheidungsträgern von morgen“ zu diskutieren. Rauke Xenia Bornefeld sprach mit den beiden Nachwuchsforschern.

Jasper Albers (Forschungszentrum Jülich)
Steffen Schneider (Tübingen und Genf)

„KI macht Schule!“ – was ist das genau?

Steffen Schneider: Als wir 2019 „KI macht Schule!“ gründeten, waren wir zu Dritt. Heute sind über 100 Doktoranden und junge Berufstätige aus ganz Deutschland, bei „KI macht Schule“ aktiv. Es gibt neun Lokalgruppen und wir bauen das Netz noch weiter aus. Unser Ziel ist, dass wir in allen Städten, in denen wir Mitglieder finden, die sich mit Technik und/oder Didaktik auskennen, Schulen Angebote machen können. Außerdem bauen wir gerade mit öffentlichen und privaten Mitteln eine Unterrichtsplattform auf, auf der digitales Lernen vor allem mit Bezug auf KI möglich ist. Damit stellen wir Lehrkräften Infrastruktur zur Verfügung, mit der sie modernen Informatik-Unterricht, KI-Unterricht geben können. Die Nachfrage nach den Kursen ist seit Anfang des Jahres riesig.

Auslöser für die gestiegene Nachfrage dürfte ChatGPT sein – smarter Hausaufgabenhelfer oder das Ende von Hausaufgaben und Facharbeiten. Wo stehen Sie in Sachen Künstlicher Intelligenz?

Schneider: Wir sind von Anfang an mit der Agenda angetreten, über Chancen und Risiken von KI-Systemen aufzuklären. Daran hat sich auch nichts geändert. Die Entwicklung ist seit Beginn des Jahres eher von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden, ihr Tempo hat sich nicht erhöht. Jetzt können viele einfacher mit der Technik interagieren. Und das ist doch auch ein Stück Demokratisierung von KI, Zugang von Wissen wird einfacher. Wir sehen weiterhin vor allem die Chancen – vorausgesetzt man kann mit der Technologie richtig umgehen.

Sehen Sie denn mit ChatGPT das Ende von Hausaufgaben und Referaten gekommen?

Schneider: Auch vor ChatGPT war es möglich, zum Beispiel seine Mathematik-Hausaufgaben von Tools wie Wolfram Alpha erledigen zu lassen. In Referate ganze Passagen aus Wikipedia-Artikeln zu kopieren, ist nicht sinnvoll, aber üblich. Eltern helfen bei Hausaufgaben. Das alles ist nicht neu. Eins hat sich aber definitiv verändert: Alle haben jetzt einen Zugang zu KI und Language Models wie ChatGPT. Und sehr viele denken, sie hätten das Thema jetzt allumfassend verstanden, weil sie das Tool schon mal benutzt haben. Das ist natürlich nicht so. 

Wie kann KI denn sinnvoll in den Schulalltag integriert werden?

Schneider: Generell sollten die Grundlagen für Maschinelles Lernen, die sich seit den 80er Jahren nicht wesentlich verändert haben, in der Schule – vorwiegend in den Fächern Informatik und Mathematik – vermittelt werden. Das gehört in den Lehrplan. Die Verknüpfungen mit anderen Fächern können dann sehr unterschiedlich ausfallen. Um es sinnvoll einzusetzen, hilft es, grundlegend zu verstehen, wie das System funktioniert: Auf welchen Daten wurde es trainiert? Hat es nur Zugriff auf Offline-Daten oder ist es mit dem Internet verbunden? Werden Quellen angegeben?

Albers: ChatGPT bietet auch die Möglichkeit, Dinge von der KI erledigen zu lassen, die wir gar nicht bei den Schülerinnen und Schülern abfragen wollen. Es ist eine Chance zu überdenken, wie Hausaufgaben aussehen sollen.

Brauchen Schulen einen Regelkatalog für KI im Schulalltag?

Schneider: Tools wie ChatGPT einfach zu verbieten, ist meines Erachtens keine Lösung. Prinzipiell ist es wichtig zu lernen, wie man mit ihnen richtig umgeht. KI kann unterstützen, aber man wird merken, ob der Text noch einen Feinschliff bekommen hat oder nicht. Sie bietet aber viele Möglichkeiten für digitales Lernen.

Haben Sie ein Beispiel?

Schneider: Der Informatikunterricht kann sehr von Sprachmodellen profitieren. Viele von uns bei „KI macht Schule nutzen ChatGPT, um das Programmieren produktiver zu machen. Auch abstrakte Themen wie zum Beispiel Ableitungen im Mathematik-Unterricht können durch die Anwendung von KI zeigen, dass sich damit – ein paar Schritte weitergedacht – zum Beispiel Bilder erkennen lassen. Auch Wettbewerbe wie „Jugend forscht“ werden für jeden, der Spaß daran hat, schulische Themen vertiefend zu bearbeiten, besser zugänglich. Denn es ist egal, ob ich in einer Uni-Stadt mit entsprechender Forschungsinfrastruktur wohne oder auf dem Land. Ich kann zuhause meinen persönlichen Programmier-Tutor mitlaufen lassen oder Ideen diskutieren. KI in der Schule bietet Chancen, das Interesse an MINT-Fächern zu erhöhen.

Sollte sich Schule auch übergeordnet mit KI beschäftigen?

Schneider: Die heutigen Schülerinnen und Schüler sind bald Wählerinnen und Wähler, die durch ihre Stimme politische Entscheidungen beeinflussen. Nutzen, verbieten, regulieren – um da mitzubestimmen, ist es sinnvoll KI, wenn auch nicht in sehr großer technischer Tiefe, verstanden zu haben. Das setzt aber voraus, dass alle Schülerinnen und Schüler Zugang zur Technik haben, Schulen also mit einem leistungsfähigen Internet versorgt sind und die Kinder Zugang zu Soft- und Hardware haben, egal aus welcher sozialen Schicht ihre Eltern kommen. Und jedes Kind sollte programmieren lernen, im Idealfall schon in der Grundschule.

Albers: KI ist keine Magie, man kann alles verstehen, auch als Schülerin oder Schüler. In immer mehr Technik steckt KI: keine Google-Suche ohne KI, kein Vorschlag eines Streaming-Dienstes ohne KI, aber vor ChatGPT lief das eher versteckt im Hintergrund. Jetzt sieht man es klar und wir benutzen sie aktiv. Das bietet eine gute Chance, wahrzunehmen, wie sehr KI in unserem Alltag vorhanden ist. Aber die Technik wurde von Menschen entwickelt, sie wurde von Menschen trainiert mit Daten, die Menschen ausgesucht haben. Auch das muss in Schule vermittelt werden.

Schneider: Und Schule muss einen Weg finden, KI-Tools nach deutschen Datenschutzregeln zur Verfügung zu stellen. Dass sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zuhause einen ChatGPT-Account beim amerikanischen Unternehmen einrichten, ist keine langfristige Lösung.

KI-Systeme gehören auch zum Alltag von Redaktionen. Welche Einsatzbereiche halten Sie für sinnvoll?

Albers: Eine essenzielle Leistung von Journalisten ist das Überprüfen von Fakten und das Verfolgen von Quellen. ChatGPT kann nicht verifizieren, ob Nachrichten wahr oder falsch sind. Aber es kann einen ersten Vorschlag für einen Text geben, der auf recherchierten Fakten basiert. Aber die Kernkompetenzen von Journalistinnen und Journalisten sind weiterhin gefordert.

Schneider: Diese Arbeit wird sogar wichtiger. Hingegen kann KI mittelmäßig schwierige und repetitive Arbeit maschinell erledigen. Das verschafft Journalisten mehr Zeit für Recherche und auch investigative Arbeit. In Sachen Glaubwürdigkeit ist für mich wichtig, ob am Ende ein Autor seinen Namen unter einen Beitrag setzt.

Welchen Stellenwert bekommt die Medienkompetenz in einer KI-durchdrungenen Welt?

Albers: Eine größere als heute. Bei ChatGPT sehen wir, dass es immer wieder Referenzen zur echten Welt halluziniert, also erfindet. Das ist klar, weil dieses Language Model die echte Welt nicht versteht, sondern Vorhersagen auf Grundlage von sprachlichen Strukturen in den gelernten Daten macht. Fake News haben uns gezeigt, dass ich nicht jeder Quelle vertrauen kann, sondern dass ich selbst prüfen muss und auf Basis von verschiedenen Quellen mir eine Meinung bilden sollte. Das spiegelt sich bei ChatGPT wider. Jedes KI-System ist nur so gut wie die Daten, auf die es trainiert ist. Zum Beispiel erkennen Gesichtserkennungsprogramme Menschen mit dunklerer Hautfarbe schlecht, wenn sie nur mit Bildern von Menschen mit heller Hautfarbe trainiert wurden. Das ist kein Problem des Systems, sondern der Daten, die Menschen ausgewählt haben. Eine Portion Misstrauen in der Anwendung von ChatGPT ist also generell nicht schlecht.

Schneider: Hinzukommen sollte die Fähigkeit, sich eine Meinung zu bilden, wie diese Technologie gestaltet werden soll. Bestimmte Entscheidungen kann die KI nicht selbst treffen: Wann und wie setze ich das Modell ein? Auf welchen Werten soll es basieren? Als Benutzer, Entwicklerin, politische Entscheider kann ich beeinflussen, was KI kann und wann sie eingesetzt wird. Das ist wahrscheinlich keine klassische Form von Medienkompetenz, aber ich finde es ebenso wichtig.

Fotos: MITCHELL & A. M. FISCHER/FORSCHUNGSZENTRUM JÜLICH GMBH/2022/STEFFEN SCHNEIDER

Kostenlose Angebote für Schulen

„KI macht Schule“ ist in neun Lokalgruppen organisiert. Nachwuchswissenschaftler und akademische Berufsanfänger bieten für Schulen kostenlos Kurse für das Verstehen und den Umgang mit Künstlicher Intelligenz an. Es gibt neben einem Grundkurs Künstliche Intelligenz auch drei thematische Kurse „KI und Mobilität“, „KI und Medizin“ und „KI und Kunst“ für die Jahrgangstufen 9 bis 13. Eine Unterrichtsplattform auch zur datenschutzkonformen Nutzung von Systemen wie ChatGPT ist im Aufbau. https://ki-macht-schule.de

Der Aachener Verein „IT4Kids“ bringt Lehr- und Lerninhalte bundesweit in Grundschulen und die Unterstufe von weiterführenden Schulen. Mit den Angeboten für die 3. bis 6. Klasse, Lehrerfortbildungen und Lernsoftware sollen Jungen und Mädchen früh fürs Programmieren begeistert werden. https://it-for-kids.org.

MedienStunde ist das Projekt der Aachener Zeitung zur Entwicklung von Medienkompetenz in Schulen. https://schule.aachener-zeitung.de.