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Wo die Arbeit nicht nur Theorie ist

In der “Tu was GmbH” der Gesamtschule Aretzstraße in Aachen lernen Schülerinnen und Schüler ganz praktisch das Berufsleben kennen – und verdienen sogar Geld dabei.

Aachen | Jamal und Majid streifen sich ihre grünen Arbeitskittel mit der Aufschrift „Tu was GmbH“ über. Die beiden 17-Jährigen sehen jetzt nicht mehr wie Schüler aus, eher wie sehr junge Hausmeister. Sie sitzen auch gerade nicht im Unterricht in ihrer Schule, der Gesamthauptschule Aretzstraße in Aachen. Sie tragen stattdessen Streusalzsäcke und später noch Arbeitstische einer Grundschule in einen Transporter. Die Tu was GmbH ist eine Schülerfirma – allerdings ist hier das Arbeiten und Wirtschaften für Schülerinnen und Schüler nicht theoretisch. Sie arbeiten tatsächlich, erfüllen echte Aufträge und verdienen echtes Geld.

Hilfe für die Zukunftsplanung

„In der Tu was GmbH zeigt sich, was ein Schüler oder eine Schülerin kann. Manche laufen unverhofft zur Höchstform auf, andere erleben, was Arbeit bedeutet, wozu sie realistisch in der Lage sind und was ihnen noch fehlt“, erklärt Lothar Grodde. Er ist Lehrer, aber viel freigestellt für die Belange der Tu was GmbH, die vom Jugendhilfeverein „Jugendliche powern ohne Gewalt e.V.“ getragen wird und eng an den Ganztag der Hauptschule Aretzstraße angebunden ist. Grodde organisiert an der Schule die Arbeitskräfte, koordiniert die Aufträge, analysiert mit den Jugendlichen die Arbeitsergebnisse und berät sie in ihrer Zukunftsplanung.

Jamal und Majid tasten sich noch an die Herausforderungen des Arbeitslebens heran. Wie lassen sich die Tische möglichst platzsparend und rutschsicher im Transporter verstauen? Wie spricht man mit dem Hausmeister der Grundschule, der den Transport-Auftrag erteilt hat? Und wie mit den eigenen Chef, Anleiter Erich Sander? Wie schnell und gründlich muss man eigentlich sein, um den zahlenden Kunden zufrieden zu stellen? „Man muss freundlich sein, darf nicht müde oder langsam arbeiten, sondern motiviert“, weiß Jamal. Bisher hatten die beiden Jungs wenig Vorstellung vom Arbeiten, durch die Tu was GmbH fühlen sie sich besser vorbereitet aufs Arbeitsleben. „Jetzt haben wir weniger Sorge.“

„Das hier ist keine Spielwiese. Es ist wirklich und fühlt sich auch so an“

Lehrer Lothar Grodde

Pünktlichkeit trainieren

Hauptschüler sind bei Ausbildungsbetrieben oft nicht die erste Wahl. Und sie haben auch nicht immer realistische Vorstellungen, welche Palette von Berufen ihnen tatsächlich mit ihrem Schulabschluss offen steht. In der Schülerfirma können sie erste Erfahrungen mit dem Arbeitsleben machen, sich Berufsorientierung holen, Fähigkeiten wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit trainieren. „Das hier ist keine Spielwiese. Es ist wirklich und fühlt sich auch so an“, erläutert Grodde den Lerneffekt, den jeder Schüler und jede Schülerin im Einsatz der Tu was GmbH mitnimmt. Das verschafft ihnen einen Vorteil bei der späteren Ausbildungssuche.

Die Aufträge kommen aus städtischen Einrichtungen und der privaten Wirtschaft. Manchmal vergibt auch eine Privatperson einen Reinigungs- oder Renovierungsauftrag im eigenen Haushalt, braucht Umzugshelfer oder Bedienungen für eine Feier. Monatlich muss ein Anzeigenblatt in Aachener Geschäften zur Auslage verteilt werden. „Solche Aufträge müssen vernünftig erledigt werden. Da schicken wir auch nicht jeden hin – das wissen die Jugendlichen“, so Grodde. Die Aussicht auf Bezahlung steigert die Motivation, sich anzustrengen – da ticken die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Aretzstraße nicht anders als Erwachsene.

Schnippeln in der Küche

Manchmal ist es aber auch die Lust am händischen Tun. Laura und Suzan schnippeln in der Küche der Schulmensa Tomaten, Paprika und Eisbergsalat. Serhat rührt im sprudelnd kochenden Wasser, damit die Spaghetti nicht zusammen kleben. Die Zehntklässler wurden vom Unterricht befreit, damit sie die Schulköchin, von allen nur liebevoll Frau Käthe genannt, beim Zubereiten des Mittagsmenüs unterstützen. „Das hier macht einfach mehr Spaß als Unterricht“, finden die beiden Mädchen. Nur wenn ihre schulischen Leistungen stimmen, können sie Kugelschreiber gegen Gemüsemesser, Taschenrechner gegen Suppenkelle tauschen. Helfen sie in ihren Pausen, können sie sich auch hier etwas dazu verdienen. „Schüler kochen für Schüler“ heißt das Projekt, das ebenso wie die Tu was GmbH die Schülerinnen und Schüler auf die berufliche Zukunft vorbereiten soll. Nicht weil sie alle Koch oder Köchin werden wollen. „Sie fügen sich ins Team ein, lernen den Ablauf und übernehmen Verantwortung“, erklärt Käthe Führer Japs den pädagogischen Ansatz. Damit arbeiten sie schon jetzt an ihrer Zukunft.